Erherzog Franz Ferdinands Hemd vom 28. Juni 1914
Heuer jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 110. Mal. Das Attentat von Sarajewo und die Ermordung des Thronfolgers gilt als zentrales Ereignis für den Auslöser der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts".
Das Hemd, das Erzherzog Franz Ferdinand am Tag des Attentats von Sarajevo trug, ist ein vielschichtiges Objekt. Es steht zum einen für das persönliche Leid des Opfers an jenem 28. Juni 1914: Die Kugel des Attentäters traf den Thronfolger in der rechten Halsseite. Ihr Einschussloch ist an der (vom Träger aus) rechten Kragenseite neben dem obersten Knopf zu sehen. Wegen der Einschusswunde an diesem heiklen Punkt verblutete Franz Ferdinand rasch. Jegliche Versuche, ihn zu retten, kamen zu spät. Dies ist der Grund, warum fast das gesamte Hemd blutgetränkt ist. Andererseits entwickelte sich schon bald eine Art Kult um die verschiedenen Gegenstände, die mit dem Attentat in direkter Verbindung stehen: Das Auto und der Uniformrock kamen noch im Jahr 1914 an das damalige Heeresmuseum. Wenig später stellte man sie dort aus und stilisierte Franz Ferdinand zum ersten „gefallenen Helden“ des mittlerweile begonnenen Weltkrieges. Das Hemd war damals aber noch nicht Teil der Sammlung.
Seine Geschichte nach dem verhängnisvollen Ereignis ist eng mit dem Jesuitenpater Anton Puntigam verknüpft. Er kannte den Erzherzog-Thronfolger seit 1913 und spendete am 28. Juni 1914 dem Thronfolgerpaar im Gouverneurssitz (Konak) von Sarajevo die letzte Ölung. Nach dem Prozess gegen die Attentäter erhielt Puntigam von den Behörden unter anderem das blutige Hemd und die Attentatswaffen. Er zeigte das Hemd im Anschluss an seine Vorträge während der Kriegsjahre als „Reliquie“ öfters seinem Publikum. In weiterer Folge wollte Puntigam eine „Franz Ferdinand Sühnekirche“ und ein „Sophienheim“ (Jugendheim) mit Museum in Sarajevo errichten, in dem die Objekte auch ausgestellt sein sollten. Dazu wurde ein „Aktionskomitee“ ins Leben gerufen und es gab wenige Wochen nach dem Attentat bereits erste Spenden. Der Kriegsverlauf und das Ende der Habsburgermonarchie verhinderten jedoch die Realisierung dieser Pläne. Hemd und Pistolen gelangten nach dem Ersten Weltkrieg an die österreichischen Jesuiten. In deren Archiv blieben sie bis Anfang der 2000er-Jahre. Nachdem sie bei einer Ausstellung im Belvedere gezeigt worden waren, kamen sie 2004 als Dauerleihgabe an das Heeresgeschichtliche Museum.
Anders als etwa die Pistolen der Attentäter kann das Hemd Franz Ferdinands nicht durchgehend in der Ausstellung zur Schau gestellt werden. Um es weiter erhalten zu können, muss es nicht nur vor Licht geschützt werden, sondern auch bei möglichst konstanten Temperaturen gelagert werden. Daher zeigt es das Heeresgeschichtliche Museum nur einmal im Jahr in den Tagen rund um den 28. Juni.
Stefan Wedrac, HGM-Forscher:innenteam
