Tagung "Deportationen in der Habsburgermonarchie"
Rückschau »Deportationspraktiken und Deportationserfahrungen in der Frühen Neuzeit. Die Habsburgermonarchie im internationalen Vergleich« in Tübingen.
Von 10. bis 12. Oktober fand in Tübingen die Jahrestagung des IdGL (Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde) und der KGKDS (Kommission für Geschichte und Kultur der Deutschen in Südosteuropa) in Kooperation mit der SOG 18 (Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts im südöstlichen Europa) statt.
Thematisch behandelte die Internationale Tagung die bis dato in der Forschung mit wenig Aufmerksamkeit bedachten Deportationspraktiken und -erfahrungen während der Frühen Neuzeit im Allgemeinen und bezogen auf die Habsburgermonarchie im Besonderen. Dabei wurden sowohl die Praktiken der staatlichen Akteure als auch die Erfahrungen der Betroffenen selbst in den Blick genommen.
Militär- und Medizinhistorikerin Sabine Jesner, Forscherin im Heeresgeschichtlichen Museum, hielt dazu den Vortrag »Konflikt – Zwang – Flucht: Herrschaftliches Gewalthandeln und Rekrutierung in der Siebenbürgischen Militärgrenze«:
Deportationen, d.h. Abschiebungen von Personen aus staatlichem Kalkül, boomten in der Frühen Neuzeit. Der frühmoderne Staat begann, oftmals unter Vorwand, Bevölkerungsteile innerhalb des eigenen Territoriums zu verschieben. Die so gezielt ab- und verschobenen Personengruppen wurden von den Abschiebungsregimen als »Transmigranten« bezeichnet. Eine irreführende Bezeichnung, die scheinbar und fälschlicherweise nicht mit Zwang, Druck und Gewalt in Beziehung stand. In den Blick des Staates gerieten dabei besonders die »Anderen« - Andersgläubige oder stigmatisierte ethnische Gruppen wie etwa Romn:ja. Was steckte dahinter? Warum begannen frühmoderne europäische Großmächte Männer, Frauen und Kinder unter Zwang aus ihren Wohnorten zu verschleppen? Im Habsburgischen Kontext mussten die Betroffenen sogar für ihre Deportation bezahlen, ihr Eigentum wurde verkauft oder versteigert, ehe die Heimat verlassen werden musste.
Die Beweggründe der Großmächte divergierten, lassen sich aber unter anderem im Streben nach religiöser Einheit, dem Bedarf an Arbeitskräften oder der Durchsetzung politischer Interessen zusammenfassen. Die Behörden erlaubten sich sogar darüber zu urteilen, wer etwa seine Kinder mitnehmen durfte und wer nicht. Infolge der für die Frühe Neuzeit charakteristischen Herrschaftsverdichtung - d. h. der Zunahme einer Bürokratisierung, welche sich im dichten Aktenmaterial spiegelt - lassen sich Deportationen heute gut belegen und erforschen. Es werden Einzelschicksale zu Tage gefördert, die auf traumatische Erfahrungen schließen lassen, aber auch die missliche wirtschaftliche Situation, in welcher sich diese vulnerablen Deportierten im Zuge einer solchen Zwangsverschickung befanden, greifbar machen.
Die staatlichen Akteure als Gestalter von Deportationen hatten für dergleichen Einzelschicksale jedoch wenig übrig, für sie galt: Rückkehr unerwünscht.